Telemedizin kann Versorgungslücken in Baden-Württemberg schließen

Eine neue Studie des Bosch Health Campus zur Telemedizin in Baden-Württemberg zeigt: Durch die geplante Krankenhausreform werden deutliche Versorgungslücken entstehen – diese können jedoch durch die Telemedizin nahezu vollständig wieder kompensiert werden.

Bosch Health Campus | Juli 2024
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Telemedizin besitzt enormes Potenzial, bestehende und künftige Versorgungslücken in Baden-Württemberg zu schließen.

Eine halbe Stunde Fahrtzeit oder länger bis zur nächsten Klinik mit passender Behandlung – für die Bereiche Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie müssen das aktuell jeweils mehr als 300.000 Bewohner:innen in Baden-Württemberg in Kauf nehmen. Diese nicht ausreichende Gesundheitsversorgung im stationären Bereich wird sich nach der Umsetzung der geplanten Krankenhausreform für die beiden Bereiche mindestens noch verdoppeln.

Dies hat der Bosch Health Campus im Rahmen seiner Machbarkeitsstudie Telemedizin Baden-Württemberg herausgefunden, die er zusammen mit dem Softwareunternehmen BinDoc durchgeführt hat.

Ländlicher Raum am meisten unterversorgt

Eine unzureichende medizinische Versorgung in der Allgemeinen Inneren Medizin und der Allgemeinen Chirurgie steigt nach der geplanten Krankenhausreform von jeweils drei Prozent auf sechs bzw. acht Prozent an. Demnach müssten 686.252 bzw. 860.559 Patientinnen und Patienten länger als 30 Minuten fahren. Im Rahmen der Studie gilt das als Unterversorgung in den beiden untersuchten Fachbereichen.

Die längsten Fahrtzeiten zeigt die Machbarkeitsstudie im ländlichen Raum wie beispielsweise dem Schwarzwald oder der Schwäbischen Alb. Patient:innen in städtischen Regionen wie Stuttgart oder Heidelberg sind dagegen am kürzesten unterwegs.

Telemedizin als Schlüssel für künftige Versorgungssicherheit

Untersucht wurde auch das Potenzial der Telemedizin und inwieweit ihr Einsatz eine mögliche Lösung für die gestiegene Unterversorgung durch die geplante Krankenhausreform sein kann. Die Ergebnisse machen deutlich, dass Versorgungslücken in beiden Leistungsgruppen durch telemedizinische Unterstützung jeweils nahezu vollständig geschlossen werden könnten.

So verbessert sich die Fahrtzeit im Bereich Allgemeine Innere Medizin für 364.092 Personen (Grafik 1), die Unterversorgung sinkt von sechs auf 3,28 Prozent. Für die Allgemeine Chirurgie sind es 420.071 Personen (Grafik 2) und eine Verringerung der Unterversorgung von acht auf 3,78 Prozent.

Infografik_Machbarkeitsstudie_Telemedizin_BW_Allgemeine_Innere_Medizin
Bosch Health Campus
Infografik_Machbarkeitsstudie_Telemedizin_BW_Allgemeine_Chirurgie
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„Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Telemedizin ein fester Bestandteil in der Versorgung werden sollte, damit eine patientengerechte, wohnortnahe Behandlung auch in Zukunft möglich sein wird. Das Potenzial, durch Telemedizin Versorgungslücken in Baden-Württemberg fast vollständig zu schließen und dabei noch Ressourcen einzusparen, dürfen wir nicht ungenutzt lassen“, Prof. Dr. Mark Dominik Alscher, Geschäftsführer des Bosch Health Campus.

Eine Kompensierung durch Telemedizin liegt beispielsweise dann vor, wenn Ärzt:innen eines Krankenhauses bei komplexen Behandlungen digital von Spezialist:innen eines anderen Krankenhauses beraten werden (Telekonsile). Besonders der ländliche Raum profitiert von der Aktivierung einer solchen telemedizinischen Unterstützung.

Die Studie stellt außerdem fest, dass an den untersuchten Klinikstandorten weniger Ressourcen eingesetzt werden müssen, wenn eine telemedizinische Unterstützung vorliegt. So sind für die Allgemeine Innere Medizin beispielsweise 20 Krankenhausstandorte weniger für eine vergleichbare Versorgungssituation notwendig, bei der Allgemeinen Chirurgie sogar 22.

„Es ist an der Zeit, Telemedizin in Baden-Württemberg flächendeckender einzusetzen, die Einrichtungen telemedizinisch untereinander zu vernetzen und so das enorme Potenzial für die Gesundheitsversorgung auszuschöpfen. Dazu gehört auch, solche digitalen Ansätze den Menschen näher zu bringen und greifbarer zu machen“, sagt Prof. Dr. Oliver G. Opitz, Leiter des Bosch Digital Innovation Hub am Bosch Health Campus.

Dass Lücken in der stationären Versorgung durch den Einsatz von Telemedizin enorm verringert werden können, wird bei den restlichen untersuchten Leistungsgruppen sogar nochmal deutlicher.

Hintergrund zur Studie

Betrachtet wurde die Versorgung in der baden-württembergischen Krankenhauslandschaft vor (ex ante) und nach (ex post) der Krankenhausreform. Untersucht wurden insgesamt 269 Krankenhausstandorte und 60 Leistungsgruppen (LG) mit Fokus auf die Allgemeine Innere Medizin und die Allgemeine Chirurgie. Diese beiden Gruppen machen laut Analysen der BinDoc GmbH zusammen circa 40 Prozent der stationären Fälle in Deutschland aus. Die Ergebnisse aus den beiden Leistungsgruppen wurden dazu verwendet, modellhaft mögliche Lösungsansätze zur Vermeidung von Versorgungslücken durch Telemedizin aufzuzeigen.